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Pionenzerfall im Flug

Um zu beweisen, dass das Licht unabhängig von der Geschwindigkeit der Quelle mit immer der gleichen Geschwindigkeit von etwa 300000 km/s unterwegs ist, muss man eine Lichtquelle auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen und die Zeit messen, die das Licht für eine gegebene Strecke braucht. Um zusätzlich zu vermeiden, dass das Licht unterwegs an Luftmolekülen gestreut und seine Geschwindigkeit verfälscht wird, ist es zudem sinnvoll kein sichtbares Licht zu verwenden, sondern Röntgenstrahlung, die bekanntlich kaum von Luft und anderer Materie beeinflusst wird.

Eine geeignete Röntgenquelle, die sich mit hohen Geschwindigkeiten erzeugen lässt, ist das neutrale Pion. Dieses Elementarteilchen zerfällt schon nach kurzer Lebensdauer in zwei Gamma-Quanten (Photonen im Röntgenbereich), die sich stets in entgegengsetzte Richtungen vom Zerfallsort entfernen. Zwei sehr unterschiedliche Experimente, die den Pionen-Zerfall zur direkten Messung der Lichtgeschwindigkeit bei bewegten Quellen nutzen, möchte ich hier vorstellen:

Schnelle Pionen bei CERN

1964 stellten die Wissenschaftler T. Alväger, F.J.M. Farley, J. Kjellman und L. Wallin vom Teilchenbeschleuniger CERN bei Genf in der Zeitschrift Physics Letters (Ausgabe 12, Seite 260) ein Experiment zur Messung der Lichtgeschwindigkeit vor. Durch die Kollision schneller Protonen an einem Metall wurden Pionen mit einer Energie von mehr als 6 Giga-Elektronenvolt erzeugt. Diese Pionen bewegen sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit und haben einen Gamma-Faktor von über 45 (entspricht dieser Geschwindigkeit). Da der Protonenstrahl an einem Teilchenbeschleuniger immer in kurzen Impulsen mit Abständen von 105 Nanosekunden kommt, entstand alle 105 Nanosekunden ein kurzer, gebündelter Schwarm von neutralen Pionen, die fast alle nach wenigen Femtosekunden in Röntgen-Quanten zerfielen. Die Geschwindigkeit der so erzeugten Röntgen-Impulse konnten die Forscher nun direkt Messen.

Dazu stellten sie in der Flugbahn der Röntgenimpulse zwei Detektoren im Abstand von genau 31,45 Metern auf. Das ist die Strecke, die Licht in der Zeit von 105 Nanosekunden zurücklegt. Wenn also die Relativitätstheorie stimmt und auch das Licht von bewegten Quellen mit der gleichen Geschwindigkeit unterwegs ist, dann sollte der zweite Detektor genau 105 Nanosekunden nach dem ersten Detektor ein Signal messen. Diese Voraussage konnte vom Experiment auf vier Nachkommastellen genau bestätigt werden. Selbst die Form des Röntgenimpulses änderte sich über die Messstrecke nicht, so dass klar wurde, dass alle Lichtquanten die selbe Geschwindigkeit hatten.

Koinzidenz zweier Photonen

Im selben Jahr (1964) veröffentlichten T.A. Filippas und J.G. Fox aus Pittsburgh (Pennsylvania, USA) in der Zeitschrift Physical Review (Ausgabe 135, Seite B1071) ein ganz anderes Experiment, in dem viel langsamere neutrale Pionen verwendet wurden. Hierzu nutzten sie die Kenntnis von Experimenten von 1950 aus, nach der negative Pionen in flüssigem Wasserstoff eingefangen werden können. Die negativen Pionen bilden dann mit einem Proton des Wasserstoffs ein für kurze Zeit stabiles System, das von den umliegenden Wasserstoffatomen gekült wird. Solch ein Proton-Pion-Atom kann nun Ladungen austauschen und zerfällt nach kurzer Zeit in ein Neutron und ein neutrales Pion.

In diesem Experiment entstanden also neutrale Pionen in einem wohl definierten Prozess und es ist bekannt, das die Pionen nach ihrer Entstehung eine Geschwindigkeit von 20% der Lichtgeschwindigkeit haben. Filippas und Fox stellten nun in zwei Experiment-Läufen zwei Detektoren auf, mit denen beide Gamma-Quanten des selben Pions gemessen werden konnten. Beide Detektoren stellten sie im ersten Durchlauf 7 Zoll und im zweiten 47 Zoll von der Quelle entfernt auf.

Nach der Relativitätstheorie sollten die Röntgen-Quanten unabhängig von der Bewegung der Pionen immer die gleiche Geschwindigkeit haben, so dass sie gleichzeitig in beiden Detektoren ankommen sollten. Hätten sie Quanten aber je nach Richtung der Pionen 1,2-fache oder 0,8-fache Lichtgeschwindigkeit, so sollten die nach vorne fliegenden Quanten ihren Detektor früher erreichen und die nach hinten fliegenden Quanten müssten später ankommen. Der in Flugrichtung aufgestellte Detektor sollte also früher ein Signal messen. Der Unterschied in den Laufzeiten müsste zudem linear mit dem Abstand ansteigen, so dass bei 47 Zoll Abstand ein deutlich grösserer Zeitunterschied gemessen werden sollte als in 7 Zoll Abstand.

Das Ergebnis dieser Messung stützte die Vorhersagen der Relativitätstheorie: Die beiden Röntgen-Quanten kamen stets gleichzeitig bei den Detektoren an und nichteinmal eine Verbreiterung der Zeitverteilung wurde bei Vergrösserung des Abstands der Detektoren gemessen.

Letzte Änderung: 23.06.2006

© Joachim Schulz